Schlagwort: elementare Musikpädagogik

Digitale Unterrichtsformate: Öffentliche Musikschulen sichern Teilhabe an Musik

Presseinformation vom 31. März 2020

Auf die öffentlichen Musikschulen in Hessen wirken sich die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona Virus erheblich aus. Digitale Formate helfen, den Unterrichtsausfall aufzufangen.Musikschulen und Honorarkräfte setzen auf die Soforthilfe durch das Land Hessen.

Die öffentlichen Musikschulen in Hessen halten während der Aussetzung des Präsenzunterrichts aufgrund der Corona Virus-Pandemie ihre Angebote mit digitalen Formaten aufrecht. Insbesondere werden Lernvideos, virtueller Unterricht über Videokonferenzen und Plattformen für das gemeinsame Arbeiten verstärkt eingesetzt

Über Whiteboards lassen sich zudem Noten und Texte verschicken. „Mit solchen Lösungen ermöglichen die öffentlichen Musikschulen weiterhin die Teilhabe an Musik für alle sozialen Bevölkerungsgruppen und tragen damit zu einem konstruktiven Umgang mit der durch das Corona Virus ausgelösten, schwierigen Situation bei“, sagt der Landesvorsitzende des Verbands deutscher Musikschulen, Landesverband Hessen e.V. (VdM Hessen), Michael Eberhardt.

Wie funktioniert digitaler Musikunterricht?

Beispielsweise treffen sich die Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern über Videokonferenzen zum virtuellen Musikunterricht. Das lässt sich mit gängigen Smartphones, Tablets oder Laptops umsetzen. Der Ablauf ähnelt einer persönlichen Musikstunde: Schülerinnen und Schüler spielen etwas vor, die Lehrkraft hört und sieht zu, ermutigt, gibt Tipps, korrigiert und demonstriert, wie es klingen sollte. Auch der Unterricht für kleine Gruppen mit drei oder vier Teilnehmenden ist so möglich.

Die Kommunikation zwischen den Musikschülern und ihren Lehrkräften ist allerdings begrenzt. Bedingt durch zeitliche Verzögerung der digitalen Medien gehen direkte Hinweise etwa zum Anschlag und der Spieltechnik verloren. Dies wirkt sich auf den Klang und die Fingerbewegungen aus. „Das birgt jedoch auch Chancen im besten Sinne der Persönlichkeitsbildung, weil die Selbständigkeit der Musikschülerinnen und Musikschüler durch das selbstbestimmte Umsetzen von Aufgaben stärker gefördert wird“, erklärt Dr. Hans-Joachim Rieß, Landesgeschäftsführer des VdM Hessen.

Die Grenzen des digitalen Unterrichts

An seine Grenzen gerät der digitale Unterricht beispielsweise bei der Elementaren Musikpädagogik in Großgruppen von rund zwölf Kindern, wie sie direkt an der Musikschule oder an Kindertagesstätten angeboten wird. Hier können bestenfalls ganze Unterrichtseinheiten mit Bewegungsspielen und Liedern an die Eltern gesendet werden. Diese setzen die Inhalte dann gemeinsam mit den Kindern um. Unterricht in Ensemble- und Ergänzungsfächern mit noch größerer Personenzahl lässt sich kaum digital ersetzen.

In Hessen haben sich 66 öffentliche Musikschulen unter dem Dach des VdM Hessen organisiert. Ihre rund 2.700 musikpädagogisch qualifizierten Fachlehrkräfte vermitteln circa 130.000 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die außerordentliche Vielfalt der Musik. Weil die öffentlichen Musikschulen derzeit ihren Betrieb nur teilweise aufrechterhalten können, sehen sie sich mit einem Ausfall von Unterrichtsgebühren konfrontiert. Diese machen bis zu 80 Prozent der Gesamtfinanzierung aus.

Existenzfrage für Honorarlehrkräfte

Zur Existenzfrage wird die aktuelle Situation besonders für die an den Musikschulen tätigen, selbständigen Honorarlehrkräfte. Hierzu verweist Landesvorsitzender Michael Eberhardt auf die beiden Staatsminister des Hessischen Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums, „die nun klar zum Ausdruck gebracht haben, dass Zuschüsse nicht nur an Unternehmen, sondern auch an Vereine, Verbände, Soloselbständige sowie Künstlerinnen und Künstler gewährt werden können, die zudem nicht zurückgezahlt werden müssen“. Zu den ersten Informationen gehört auch, dass das Regierungspräsidium Kassel sowohl für die öffentlichen Musikschulen als auch für die Honorarlehrkräfte Ansprechpartner für alle Anträge auf Soforthilfe ist.

Ansprechpartner für weitere Informationen:

Verband deutscher Musikschulen in Hessen – VdM Hessen
Michael Eberhardt (Landesvorsitzender)
Dr. Hans-Joachim Rieß (Landesgeschäftsführer)

Rheinstrasse 111
65185 Wiesbaden

Fon: (0611) 341 868 60
Fax: (0611) 341 868 66

E-Mail :buero@musikschulen-hessen.de
Internet. www.musikschulen-hessen.de


Die Pressemitteilung als pdf

Sieben Thesen des Kuratoriums beim VdM Hessen zur Funktion und Entwicklung von öffentlichen Musikschulen

Es geht keineswegs darum, dass alle Musikerinnen und Musiker werden. Aber alle können musikalisch werden, denn die Anlagen hierzu finden sich in jedem Menschen.“ (nach Hermann Kretzschmar)

Allgemeinbildung

Musikalische Erziehung vermittelt Allgemeinbildung durch musikpädagogische Praxis. Aufgrund ihres meritorischen Charakters wird Musikalische Bildung öffentlich gefördert.

Der kulturpolitische Bildungsauftrag resultiert aus dem Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2, GG) und der Gleichheit aller Menschen (Art. 3, GG).

Umfassende Allgemeinbildung ergibt sich erst aus dem Zusammenwirken des Schulwesens und weiterer kultureller Bildungsangebote. Staat und Kommunen fördern deshalb öffentliche Musikschulen. Damit nehmen sie ihre bildungspolitische und kulturpolitische Verantwortung wahr.

Musikerziehung

Die Musikpädagogik unterscheidet zwischen der Erziehung mit Musik und einer Erziehung zur Musik.

Erziehung mit Musik ist in Kindergärten, in Kindertagesstätten und in der sozialpädagogischen Arbeit Teil der Elementarerziehung.

Im schulischen Musiklernen und im Musizieren lernen der öffentlichen Musikschule findet darüber hinaus eine Erziehung zur Musik statt.

Die elementaren musikpädagogischen Aspekte bedingen den didaktischen und methodischen Ausgangspunkt für eine gelingende Musikerziehung.

Teilhabe

Musikalische Breitenarbeit ist aufgrund ihrer persönlichkeitsbildenden Wirksamkeit ein bedeutender Entwicklungsfaktor für eine freiheitliche demokratische Gesellschaft.

Musikalische Breitenarbeit bietet die wesentliche Voraussetzung für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Musikkultur in Deutschland.

Kulturelle Vielfalt

Öffentliche Musikschulen schließen die institutionelle Lücke zwischen schulischem und privatem Musikunterricht.

Öffentliche Musikschulen sorgen für musikalische Breitenarbeit. Gleichermaßen führen öffentliche Musikschulen zum künstlerischen Musizieren.

Öffentliche Musikschulen bieten musikalische Bildung, die weit über den schulischen Musikunterricht und den Privatunterricht hinausreicht. Dazu gehören alle Formen des gemeinsamen Musizierens und Erlebens.

Persönlichkeitsbildung

Öffentliche Musikschulen sind kulturelle Bildungseinrichtungen. Ihr pädagogisches Ziel: Musikerziehung soll gleichermaßen dem Menschen und der Musik dienen.

Öffentliche Musikschulen tragen wesentlich zur Persönlichkeitsbildung bei. Sie können den Anspruch einer für alle zugänglichen profunden Musikerziehung nicht alleine verwirklichen. Öffentliche Musikschulen kooperieren deshalb mit Kindergärten, Kindertagesstätten und allgemeinbildenden Schulen.

Der Musikunterricht der öffentlichen Musikschulen beinhaltet eine vielseitige Musikpraxis, die über den Instrumentalunterricht und den Vokalunterricht hinausreicht.

Öffentliche Musikschulen und allgemeinbildende Schulen müssen zusammengedacht werden:

  • Der Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen ermöglicht ein kontinuierliches Musiklernen für alle Kinder. Allgemeinbildende Schulen konzentrieren sich auf das hörende Verstehen von Musik und zumeist auf die vokale Musikpraxis (Gesang).
  • Öffentliche Musikschulen vermitteln eine vertiefende und umfassende Musikerziehung. Die Musikerziehung der öffentlichen Musikschulen führt zu einem selbstbestimmten und vielfältigen Musizieren.

Kooperation

Musikalische Bildung trägt wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Musikalische Bildung gelingt in der sinnvollen Zusammenarbeit von allgemeinbildenden Schulen und öffentlichen Musikschulen.

Für das Musiklernen und das Musizieren lernen braucht es flächendeckende Kooperationen. Allgemeinbildende Schulen und Musikschulen müssen die Inhalte und Methoden ihres Musikunterrichts gemeinsam in fachlicher Verantwortung aufeinander abstimmen.

Inklusion

Inklusion baut soziale Schranken und die Benachteiligung von Menschen ab. Inklusion ermöglicht die individuelle musikalische Sozialisation.

Die inklusive musikalische Sozialisation beginnt in der musikalischen Breitenarbeit durch die Vermittlung elementarer Musikerziehung unter künstlerischen Prämissen. Sie kann bis zur beruflichen Ausübung führen.

In der inklusiven musikalischen Sozialisation geht es um die Befähigung zur aktiven, selbstbewussten und kritikfähigen Auseinandersetzung mit sämtlichen Phänomenen der Musik.

Inklusive musikalische Sozialisation umfasst stets auch die bildungsbezogene Selbstbestimmung und die ausdrückliche Wertschätzung der persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse jedes Menschen.

Öffentliche Musikschulen sind inhaltlich breit gefächerte Einrichtungen. Deshalb können sie bestehende Lücken bei der Umsetzung einer inklusiven musikalischen Sozialisation im spartenübergreifenden Zusammenwirken schließen und vermeiden.

Die Bandbreite kultureller Bildung

Inklusion ist in der Arbeit von öffentlichen Musikschulen für die komplette Bandbreite der kulturellen Bildung wichtig – von der elementaren Musikpädagogik bis hin zur beruflichen Musikausübung. Öffentliche Musikschulen sind inhaltlich sehr vielfältig. Gerade im spartenübergreifenden Zusammenwirken entfalten sie erhebliche Wirkungen. Zu den übergeordneten Zielen der Arbeit jeder öffentlichen Musikschule gehören die bildungsbezogene Selbstbestimmung und die Wertschätzung der persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse jeder Schülerin und jedes Schülers.

Selbstbestimmung und die Wertschätzung der Person geben den Rahmen vor: Wir fördern das Musizieren. Wir fördern die Schülerinnen und Schüler, sich selbstbewusst und kritisch mit allen Phänomenen der Musik zu befassen.